1. https://joinbox.info/blog/leitfaden-agentur-briefing-fuer-eine-website Leitfaden: Agentur-Briefing für eine Website
Juli 2021

Eine Kundin bat uns vor Kurzem um eine Offerte für eine Website. Sie würde gern ein Briefing schreiben als Grundlage dafür – und wollte wissen, was darin stehen müsse. Hier die Antwort aus unserer Sicht.

Vorab: In diesem Beitrag gehen wir stark ins Detail. Das liegt auch daran, dass bei komplexen Webprojekten genau in diesen Details häufig relevante Kosten versteckt sind. Erfahrung hilft dabei, diese frühzeitig zu erkennen. Um ein Projekt anzugehen, brauchen wir kein schriftliches Briefing: Wir können die dafür notwendigen Grundlagen gern gemeinsam erarbeiten. Eine E-Mail an Felix genügt – er schreibt Spezifikationen seit zehn Jahren.

Kurz zu den Begriffen: Ein Briefing definiert die kundenseitigen Anforderungen, ist damit ein Lastenheft. Gestützt darauf erarbeitet die Auftragnehmerin in der Regel ein Pflichtenheft (wir nennen dieses häufig Spezifikation), welches das Lastenheft konkretisiert. Bei kleineren Projekten oder enger Zusammenarbeit zwischen Kunde und Agentur lassen sich Lasten- und Pflichtenheft häufig zusammenfassen.

1. Gib uns Kontext

Vielleicht die wichtigste Voraussetzung für ein gelungenes Projekt: Wir müssen (und wollen) verstehen, worum es geht.

Beginne deswegen mit den für das Projekt relevanten Hintergrundinformationen:

  1. Wen repräsentiert die Website? Stelle dein Unternehmen kurz vor, erläutere sein Angebot und seine besonderen Eigenschaften.
  2. Falls bereits eine Website besteht: Wieso soll diese abgelöst werden, wo liegen ihre Schwächen und Stärken?
  3. Wie positioniert sich die Website in der Marketing-Strategie und wie spielt sie mit anderen Kanälen (Print, Social Media etc.) zusammen?

2. Suche den Sinn

Kaum eine Website ist Selbstzweck. Damit wir deinen Auftritt auf seine Ziele hin optimieren können, müssen wir diese kennen.

  1. An wen richtet sich die Website? Umschreibe kurz die Zielgruppen (z.B. Kunden, Arbeitnehmer, Geschäftspartner) und ihre Eigenschaften, sofern du diese kennst. Weisst du, wie viele davon Smartphones nutzen (im Vergleich zu Notebooks oder Desktop-Computern)?
  2. Welche Ziele verfolgt deine Website: Willst du Leads generieren? Produkte verkaufen? Möglichst viele Telefonanrufe, Newsletter-Anmeldungen oder Bewerbungen kriegen? Oder einfach informieren?
  3. Habt ihr für die Ziele, welche die Website verfolgt, eventuell bereits messbare Definitionen (z.B. Goals in Google Analytics) erarbeitet?
  4. Gibt es bestehende Websites, welche eines der Ziele aus deiner Sicht besonders gut lösen? Falls ja: Welche und was machen sie besonders gut?

3. Formuliere deine Erwartungen

Stecke das Projekt bezüglich Umfang und Leistung möglichst genau ab – so haben wir sicher das gleiche Verständnis davon.

  1. Welche Bereiche deiner digitalen Landschaft betrifft das Projekt: Lediglich die aktuelle Website? Oder auch die Gestaltung der Newsletter, die ihr verschickt? Vielleicht auch das Intranet? Oder Microsites, die ihr betreibt?
  2. Wie dürfen wir dich unterstützen: Erarbeiten wir im Vorfeld bei einem Workshop gemeinsam Zielgruppen und Personas und eruieren und priorisieren darauf gestützt die Funktionen der Website? Oder hast du bereits eine genaue Vorstellung, was die Website abbilden und wie sie aussehen soll? Konkret:
  • Wünschst du einen Workshop und ein schriftliches Konzept, das du intern absegnen lassen kannst?
  • Dürfen wir die User-Experience mitdenken und -gestalten, User-Stories aufzeigen, Prototypen erstellen und anhand von User-Tests validieren?
  • Sollen wir das Webdesign anhand mehrerer Varianten erarbeiten? Oder genügt dir ein Vorschlag?
  • Übertragt ihr bestehende Inhalte – oder sollen wir dies offerieren?
  • Wünscht ihr eine Anwenderdokumentation? Und eine Schulung zur Bedienung des Administrationsbereichs?
  • Erwartet ihr nach dem Go-live garantierte Verfügbarkeiten und Reaktionszeiten? Oder genügt euch, wenn wir regelmässig Sicherheitsupdates installieren?
  • Habt ihr weitergehende Erwartungen (z.B. Penetration Tests)?

«Willst du Leads generieren? Produkte verkaufen? Telefonanrufe kriegen? Oder einfach informieren?»

4. Äussere dich zum Äusserlichen

Die Gestaltung einer Website hat einen relevanten Einfluss auf deren Umsetzung und damit ihre Kosten. Für uns ist deswegen wichtig, deine Erwartungshaltung zu kennen.

  1. Besteht ein Corporate Design, das die Website übernehmen soll?
  2. Falls kein Corporate Design vorliegt: Welche anderen Vorgaben bestehen? Wie sieht die aktuelle Gestaltungssprache aus? Soll diese übernommen, weiterentwickelt oder verworfen werden?
  3. Gibt es bestehende Websites, die dir besonders gut gefallen? Welche Teile davon überzeugen dich?

5. Touchiere die Technologie

Diesen Abschnitt beantworten wir gleich weitgehend selber: Wir verwenden Drupal als Content Management System (CMS) und setzen auf aktuelle Open-Source-Technologien und Standards, insb. HTML5, Vanilla JavaScript, Web Components, Progressive Web Apps (PWA), REST APIs, Symfony und manchmal React.

Wenn etwas davon gar nicht passen oder etwas Anderes ganz wichtig sein sollte, lasse uns dies wissen.

Hast du einen Hosting-Provider, den du vorziehst oder soll das Projekt bei euch selber gehostet werden? Falls nicht, nutzen wir in der Regel cyon mit Hosting-Standort Basel.

6. Kläre die Grundanforderungen

Viele dieser Anforderungen gehören mittlerweile zum Standardumfang eines Webauftritts – trotzdem ist es gut, wenn du die Erfordernis abklärst und uns mitteilst:

  1. Datenschutz: Wenn sich deine Website auch an Nutzer richtet, die sich im EWR-Raum (dazu zählt auch Liechtenstein) befinden, musst du die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einhalten – das heisst unter Anderem: Wahlmöglichkeit für Cookies, «Double Opt-in» für Mailversände, Pflicht für Impressum und Datenschutzvereinbarung, Bestellen eines Datenschutzverantwortlichen. Teile uns also mit, ob sich dein Auftritt explizit nur an Personen in der Schweiz richtet, oder ob der EWR dazugehören könnte.
  2. Sprachen: In wie vielen Sprachen wird die Website betrieben? Wichtig dabei: Gibt es solche mit besonderen Schriftzeichen (z.B. Japanisch) oder welche von rechts nach links geschrieben werden (z.B. Arabisch)?
  3. Länder: Soll es von der Website verschiedene Länderversionen geben, und falls ja: für welche Länder? Sollen Nutzer anhand der Domain oder ihrer IP-Adresse auf die jeweilige Länderseite geleitet werden? Wie sollen sich die Länderseiten unterscheiden?
  4. Barrierefreiheit: Soll die Website bestimmte Standards zur Barrierefreiheit einhalten (für den Bund gilt in der Regel WCAG 2.1 AA)? Das hat einen Einfluss auf Konzeption, Gestaltung und Umsetzung – so müssen wir beispielsweise besonders hohe Kontraste vorsehen, fokussierte Elemente hervorheben oder Links klar kennzeichnen.
  5. Browser: In der Regel unterstützen wir die gängigen aktuellen Browser (Mobile, Tablets und Computer) und Eingabemethoden (Maus, Touch). Gibt es besondere Browser, die wir unterstützen müssen (z.B. Internet Explorer 11)?
  6. Suchmaschinen: Wir optimieren alle Websites für Suchmaschinen – doch auch dabei kann man sich selber übertreffen. Wenn du besonders hohe Anforderungen hast, schlagen wir dafür individuelle Optimierungen vor.
  7. Analyse: Bauen wir Google Analytics via Tag Manager ein, Matomo – oder etwas anderes?
  8. Drucken: Gehst du davon aus, dass gewisse (oder alle) Seiten besonders oft gedruckt werden und deswegen über eine optimierte Druckansicht verfügen sollten?
  9. Rechteverwaltung: Reicht euch eine Rolle für alle Nutzer des Administrationsbereichs oder sollen gewisse Nutzer nur eingeschränkten Zugang erhalten (z.B. nur auf bestimmte Seitentypen)?

7. Strukturiere die Inhalte

Hauptaufgabe einer Website ist, Inhalte attraktiv darzustellen. Dabei gilt (pointiert): Alles ist besser als Text.

Dies ist der schwierigste Abschnitt. Falls du Fragen hast, weiss Felix weiter.

Lass uns wissen, welche Inhalte du unterbringen möchtest: Dazu kannst du uns beispielsweise

  • Links auf bestehende Seiten deiner Website zustellen, deren Inhalte du weiterverwenden möchtest,
  • ein Dokument (z.B. Word, PowerPoint) zusenden mit den voraussichtlichen Inhalten der neuen Seite oder
  • mitteilen, welche Darstellungsformen (s. Randnotiz) du wünschst, falls du diese bereits kennst.

Häufig gibt dabei der Inhalt, der dir effektiv zur Verfügung steht, die Darstellungsformen vor: Falls du keine tollen Bilder hast, verzichten wir lieber darauf; falls du noch kein Video hast, können wir dies später nachrüsten.

«Alles ist besser als Text.»

Die Inhalte geben auch die Struktur der Website vor. Für uns sind dabei zwei Fragen relevant, falls du diese bereits beantworten kannst (z.B. anhand einer Sitemap):

  • Über wie viele Ebenen (Hierarchiestufen) verfügt die Navigation? Bei kleineren Projekten genügt eine Ebene meistens, umfangreiche Projekte brauchen häufig drei.
  • Gibt es eine Meta-Navigation (mit den üblichen Einträgen wie Suche, Kontakt, Login, Presse, Stellen)?

Je nach Inhalt wird eine Seite häufig anders aufgebaut (sogenannte Seitentypen): Eine Angebotsseite verfügt über eine andere Struktur als die Team-, Produkt-, Standort-, News-, Blog-, Referenz-, Veranstaltungs-, Stellen-, Kontakt- oder Startseite. Bei kleineren Websites genügt häufig ein Seitentyp, in welchem sich alle Darstellungsformen nutzen lassen. Bei grossen Vorhaben legen wir Daten eher strukturiert ab (sogenannte Entitäten) und stellen die Informationen auf dem entsprechenden Seitentyp automatisch optimiert dar. Mit wie vielen (und eventuell welchen) Seitentypen rechnest du?

Etwas Einfacheres zum Schluss: Was kommt alles in den Footer? Klassisch sind: Logo und Adresse, Kontakt (Telefon, E-Mail), Impressum und Datenschutz, Links zu sozialen Medien, die Einträge des Menus, Logos (z.B. Zertifizierungen, Mitgliedschaften) und Newsletter-Anmeldung.

8. Umschreibe die Funktionen

Häufig kommen zu diesen statischen Inhalten dynamische Funktionen hinzu:

  1. Suche: Verfügt die Website über eine Suche? Sollen die Suchresultate nach Art des Inhalts gefiltert werden können?
  2. Newsletter: Gibt es eine Newsletter-Anmeldung? Sollen Anmeldungen automatisiert in ein bestehendes Tool übertragen werden (z.B. MailChimp, CampaignMonitor)?
  3. Sollen bestimmte Inhalte (z.B. Referenzen, Kunden, News, Blog-Beiträge) gefiltert, sortiert oder durchsucht werden können? Falls ja: Nach welchen Kriterien?
  4. Gibt es einen Online-Shop? Falls ja: Das ist ein Thema für einen eigenen Blog-Beitrag. Bis dahin: Geh am besten direkt auf Felix zu.
  5. Gibt es einen Login für Nutzer? Gibt es mehrere Kategorien von Nutzern? Können sich diese selber registrieren? Wie funktioniert der Registrationsprozess (z.B. Freigabe durch Administratoren)? Gibt es bestehende Nutzerdaten, die zu übertragen sind auf das neue System? Welche Funktionen stehen angemeldeten Nutzern zur Verfügung?
  6. Gibt es (technische) Schnittstellen, welche anzubinden sind? Werden Daten von einem Drittsystem bezogen (z.B. Nutzerdaten, Single Sign-on) oder auf ein solches geschrieben (z.B. Newsletter-Anmeldungen, Reservationsanfragen, Kalender)?
  7. Gibt es besondere Anforderungen an den Administrationsbereich, beispielsweise beim Erstellen von Inhalten? Sollen diese z.B. einen Freigabeprozess durchlaufen oder automatisch übersetzt werden (XLIFF, DeepL)?
  8. Wo bestehen Abhängigkeiten von oder organisatorische Schnittstellen mit Dritten (z.B. SEO-Agentur, Agentur für Markenstrategie, Verantwortliche für Corporate Design etc.)?
  9. Soll es mehrere verschiedene Websites (z.B. mit separater URLs) geben, die mit ähnlichen Funktionen und ähnlicher Gestaltung daherkommen?

9. Verliere ein Wort zu Zeit und Geld

So fest wie eine Website das Budget vorgibt, kann auch das Budget die Website vorgeben: Mehr gibt mehr.

Wenn du uns deinen ungefähren Budget- und Zeitrahmen mitteilst, hilft uns dies zweifach:

  1. Wir können einschätzen, ob das Vorhaben aus unserer Erfahrung überhaupt realistisch ist.
  2. Wir können die Lösung dem Budget und der Timeline anpassen: Beispielsweise die Gestaltung weiter verfeinern, die User-Experience noch stärker in den Fokus rücken oder besonders eindrückliche Animationen vorsehen.

«Statt dass die Website das Budget vorgibt, kann auch das Budget die Website vorgeben.»

10. Ausblick

Dieser Beitrag ist lang geworden – und doch nicht komplett. Für das Projekt der eingangs erwähnten Kundin kommt er zwar zu spät. Nachdem wir verschiedenste Ausschreibungen erlebt haben, bei denen teils Hunderte von Rückfragen gestellt wurden, hoffen wir, dass er dabei hilft, zukünftig einige dieser Unklarheiten vorweg zu nehmen – sie sind das grösste Risiko für ein Webprojekt.

Bei komplexen Projekten bevorzugen wir deswegen ein zweistufiges Vorgehen. Dabei schätzen wir im Vorfeld den ersten Teil verbindlich und den zweiten als groben Richtwert:

  1. Erster Teil: Wir erarbeiten gemeinsam die für die Ausschreibung notwendigen Anforderungen und Unterlagen (Spezifikation, evtl. grafische Entwürfe).
  2. Zweiter Teil: Wir (und häufig auch andere Agenturen) schätzen den Umfang des Projekts gestützt auf die im ersten Teil erarbeiteten Unterlagen verbindlich und realisieren das Gesamtprojekt.

Bei Fragen zum Vorgehen, zum Inhalt oder zu einem konkreten Projekt ist Felix gern für dich da. Er unterstützt dich auch, bevor du überhaupt ein Briefing begonnen hast.